Kahlrasiert?!
In letzter Zeit werde ich häufiger von meinen Kundinnen nach meiner Meinung zum sogenannten „Buzz Cut“ gefragt. „To buzz“ kommt aus dem Englischen und heißt „surren“ oder „summen“ und beschreibt das Geräusch des elektrischen Rasierers.
Nach der schon einige Jahre zurückliegenden Kahlrasur von Sinéad O’Connor (Sie erinnern sich an den Song „Nothing Compares 2 U“) sah man sie erst mal nicht mehr: die Glatze oder Fast-Glatze. Dann wurde sie 2015 vereinzelt auf Laufstegen gesehen, eines der ersten Models, die sie trugen, war Ruth Bell, später folgten Lina Hoss, Adwoah Aboah und Kris Gottschalk. Und dieses Jahr präsentieren sich nun doch schon einige Hollywood-Stars wie z.B. Cara Delvingne oder Kristen Stewart mit dem Buzz Cut, so dass die Süddeutsche Zeitung vom 20. Mai 2017 jenen schon als „Trendfrisur des Jahres“ bezeichnete.
Nun, den Buzz Cut als Frisur zu bezeichnen ist für Frisörinnen und Frisöre eigentlich eine Beleidigung, denn es handelt sich ja um die Negation einer Frisur, selbst wenn ein paar wenige Millimeter Haar auf dem Kopf verbleiben. Daher kann ich schon aus berufsethischen Gründen diesem Kahlschlag – denn auch um einen „Schnitt“ handelt es sich nicht im eigentlichen Sinne – nichts, aber auch gar nichts abgewinnen.
Für mich überwiegt die negative, destruktive Komponente, denn beim Buzz Cut geht es darum, ohne Grund freiwillig auf einen Teil der persönlichen Schönheit zu verzichten. Von manchen Frauen wird dies damit begründet, dass sie sich keinem Modediktat unterwerfen wollen.
Fragwürdige Schönheitsideale
Klar kann und soll man darüber diskutieren, wie unser heutiges Schönheitsideal von den Medien und der Gesellschaft geformt und beeinflusst wird, und wie sehr damit auch auf Kosten der Frauen Geschäfte betrieben werden. Der gerade in den Kino angelaufene Film „Embrace“ thematisiert diese Problematik sehr anschaulich und zeigt, welche negativen Auswirkungen absurde, von den Medien gepushte Schönheitsideale auf die psychische und körperliche Gesundheit von Mädchen und Frauen haben. Diese Auseinandersetzung halte ich für wichtig! Aber ich finde es nicht richtig und bedaure es, wenn ein Model wie Delevingne Frauen dazu auffordert, sich die Haare abschneiden zu lassen, um damit vermeintlich nicht mehr einem vorgeschriebenen Schönheitsideal zu entsprechen.
Letztendlich sind Haare ein Geschenk der Natur und Zeichen des Lebens. Und auch die meisten Buzz-Cut-Trägerinnen wollen ja nicht komplett auf vorteilhaftes Aussehen verzichten: sie bleiben geschminkt oder färben sich die verbleibenden Haarstoppeln blond, um den Kontrast zur durchscheinenden weißen Kopfhaut abzumildern.
Kaum eine der Buzz Cut-Trägerinnen sieht mit der Glatze wirklich schöner aus als mit Haaren, egal welcher Länge. Daher kann ich als Friseur von einem so drastischen Schritt nur abraten, zumal Haare im Durchschnitt gerade mal einen Zentimeter im Monat wachsen.
Aber das ist natürlich meine persönliche Meinung.
Ich bin gespannt auf Ihre Meinung!
Ihr Daniel Schmid
Hier der Trailer zu „Embrace“, bei die Schauspielerin Noro Tschirner mitgewirkt hat:
Lieber Herr Schmid
Ihr Beitrag zum Buzz Cut ist schon etwas älter, aber ich stieß zufällig auf ihn und möchte Ihnen danken für Ihre Darlegung, wie Sie unsere Schönheit und die Bedeutung der Haare für uns als Frauen sehen und wertschätzen. Im Alter von 11 Jahren schnitt mir eine Frisörin eine Art Buzz Cut und nahm mir damit meine Ausstrahlung, mein Dasein als Mädchen. Ich sah aus wie ein Junge, fremde Menschen dachten ich sei ein Junge. Eine Phase, die ich nie vergessen werde und seither trage ich nur lange Haare. Ich liebe lange Haare, wenn sie gepflegt sind. Ein Buzz Cut erinnert mich zudem an Zeiten, in denen Frauen die Köpfe rasiert wurden, um sie zu degradieren, zu schänden und ihnen ihr Schönstes zu nehmen. Und er lässt mich an kranke, leidende Menschen denken. Der Buzz Cut steht nur Frauen mit einem Gesicht jenseits der Norm. Und die Geld genug haben, um sich eine Echthaarperücke und Haarverlängerung zu leisten. Ich mag den Buzz Cut wirklich nicht. Das stimmt. Er ist mein persönlicher Horror. Die Höchststrafe!
Sie scheinen im übrigen ein sehr guter Frisör und Mensch zu sein, der die Frau und ihre Schönheit schätzt. Ich wäre gern Ihre Kundin.
Es freut mich sehr, dass Sie unseren Beitrag so aufmerksam gelesen und so ausführlich und persönlich kommentiert haben. Herzliche Grüße, Daniel Schmid
Lieber Herr Schmid,
Auch ich möchte mich gerne verspätet dazu äußern, allerdings als Gegenseite. Ich bin von Natur aus mit einer dicken Mähne an Haaren gesegnet und habe das über die Jahre sehr ausgenutzt. Viele verschiedene Frisuren und Farben, mein Frisör war begeistert. Ich letztendlich nicht so sehr. Nie war ich wirklich zufrieden, der Aufwand damit all das wirklich gut aussah und diese endlose Stylerei war mir immer zu viel, immer nur Pferdeschwanz zu langweilig, offene Haare haben mich ab einer gewissen Länge genervt. Nun habe ich mir vor ca 6 Monaten von Ihnen so abgelehnten Buzzcut zugelegt – und fühle mich schöner, als je zuvor. Für mich muss sich eine Frisur gut anfühlen, ob ein Mann (mit kurzen Haaren wohlgemerkt) meint, nur lange Haare an Frauen wären schön, ist mir ehrlich gesagt ziemlich wurscht 🤷♀️. Ich denke über diese Ansicht von Schönheitsidealen sollten wir doch längst hinaus sein. Es gibt Männer mit langen Haaren und Frauen mit kurzen. Ich finde es in erster Linie wichtig, dass sich der Träger oder die Trägerin damit schön fühlt, denn dann tragen wir diese Schönheit auch nach außen, haben eine Ausstrahlung 💖. Vielleicht kann ich Sie ja doch dazu anregen, Ihre Meinung zu überdenken, und sei es nur ein kleines bisschen ☺️. In diesem Sinne, frohe Festtage und ein gutes neues Jahr.
Liebe Blog-Leserin,
vielen Dank für Ihren ausführlichen und sehr ehrlichen Kommentar. Sie haben natürlich völlig recht: das wichtigste Kriterium für eine gute Frisur ist, dass die Kundin (oder der Kunde) sich damit wirklich wohl fühlt. Keineswegs sind wir hier nur Fans von langen Haaren, egal ob bei Frauen oder Männern. Als Frisöre fühlen wir uns bei aufwändigeren Kurzhaarfrisuren mehr herausgefordert, als mit einem reinen Maschinenschnitt. Wir wünschen Ihnen weiterhin ein gutes Gefühl mit Ihren kurzen Haaren! Mit den besten Wünschen für das neue Jahr! Herzliche Grüßen aus Reutlingen, Daniel Schmid
Ein ziemlich eingebildeter Text und ein guter Grund dort niemals Kunde zu sein. Schönheit liegt im Auge des Betrachters und Frauen vorgeben zu wollen das sie ja nur mit viel Haar schön sind, ist schon arg eingebildet. Mit welchen Recht geschieht dies? Jede Frau kann tragen was sie möchte, wem es nicht gefällt der schaut halt weg. Wenn ein Mann damit ein Problem hat dann eben nur er ein Problem. Man ist weder mit automatisch Schön noch besonders weiblich nur weil man lange Haare hat. Auch lange Haare können an einer Frau ehr negativ wirken.
Ich hatte 30 Jahre lang sehr lange Haare, dann auf Schulterlänge und danach Pixie. Warum? Ich hatte nie mehr als Zopf getragen schon vom Job her, und es sah offen aus wie es bei vielen der Fall ist – nach nichts außer eben Haaren. Und ich kann behaupten, nach unzähligen Friseurbesuchen, viele mögen wohl einfach lange Haare weil das schneiden dieser keine besondere Anstrengung erfordert. Etwas Spitzem, Stufen und das war’s. Bei Kurzhaarschnitte sind aber hingegen viele Friseure schlicht überfordert, sofern es nicht Standard 08/15 ist. Vielleicht kommt die Ablehnung auch daher?
Im Jahr 2022 laufen Männer mit langen Haaren und Haarreif umher. Dürfen sie, denn am Ende muss sich niemand dan den Idealen anderer richten.