Löschflugzeuge bei einem Waldbrand in Südfrankreich

Löschflugzeuge bei einem Waldbrand in Südfrankreich

Stand die Klimapolitik im Jahr 2021 durch die Flut im Ahrtal noch an der Spitze des Bundestagswahlkampfes, ist sie heute längst wieder in den Hintergrund gerückt. Wie ist es möglich, dass wir die Bilder dieser Katastrophe und ihre Ursachen so schnell wieder verdrängen?

Wo stehen wir in Sachen Klimawandel?

Nach dem europäischen Klimadienst Copernicus wird das Jahr 2023 „nahezu sicher das wärmste seit Aufzeichnungsbeginn“. Verglichen mit dem vorindustriellen Niveau, also von 1850 – 1900, liegt die weltweite Durchschnittstemperatur im Jahr 2023 um 1,43 Grad Celsius drüber. Der aus dem Fernsehen bekannte Meteorologe Sven Plöger beschreibt die Klimasituation in einem sehr hörenswerten Interview auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt noch deutlicher: Wenn sich die CO2-Emissionen so weiter entwickeln wie in den letzten Jahren, befinden wir uns auf einem 2,7-Grad-Celsius-Pfad. Das, was wir also im Sommer erlebt haben, wird weiter zunehmen: Dürreperioden, die Waldbrände verursachen wie in Griechenland und Kanada, verheerende Überschwemmungen wie in Griechenland, Slowenien, Italien und Libyen. Auch wenn Deutschland dieses Jahr von den ganz großen Katastrophen verschont blieb, konnte man kaum Schritt halten mit den Nachrichten aus anderen Ländern. Geschweige denn sich das Ausmaß an Zerstörung bewusst machen.

Artenschwund

Durch den fortschreitenden Klimawandel geht nicht nur jedes Jahr Lebensraum für die Menschheit verloren. Etwa ein Fünftel der in Europa lebenden Tier- und Pflanzenarten ist vom Aussterben bedroht. Und das bedroht wiederum das Funktionieren unserer Ökosysteme. Von einer intakten Biodiversität hängen der Zustand unserer Luft, unseres Trinkwassers und unserer gesichterten Ernährung ab.

Aufgeben ergibt keinen Sinn!

In seiner im Mai 2023 aktualisierten Auflage mit dem Titel „Zieht euch warm an, es wird noch heißer!“ erklärt Sven Plöger, warum es dennoch keinen Sinn ergibt, aufzugeben. Zunächst analysiert er, warum der so bedrohliche Klimawandel dennoch immer wieder aus dem Bewusstsein gerät und viel zu wenig passiert. Ja, dass sogar das deutsche Klimagesetz in 2023 wieder abgeschwächt wurde, weil manche Ministerien wie Verkehr und Bau die Gesetzesvorgaben fortwährend nicht eingehalten haben.

Noch überschaubar: Hochwasser am Neckar bei Tübingen

Noch überschaubar: Hochwasser am Neckar bei Tübingen

Gründe für das menschliche Versagen

Da sind zunächst die vielen anderen Krisen auf der Welt: der Corona-Pandemie folgte der Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, der wiederum zu einer Energiekrise und hoher Inflation führte, die viele Menschen auf einmal ganz persönlich tangierte. Zuletzt überlagerte die gefährliche Situation in Nahost alle anderen Probleme.

Dann denkt der Mensch vor allem kurzfristig, das heißt vor allem im Rahmen seiner eigenen „Restlebenszeit“. Plöger empflieht deshalb, sich das Leben seiner Kinder und Enkelkinder konkret vor Augen zu halten, wenn es bei dieser Erderhitzung bleibt. Wieviel Verzicht – das böse Wort – wir späteren Generationen zumuten, weil wir selbst uns nicht einschränken wollen. Auch bleibt die Bedrohung durch den Klimawandel für die allermeisten Menschen unkonkret. Plöger formuliert es mit dem Satz: Irgendwo passiert irgendwann irgendwem etwas. Das wird man schon nicht selber sein.

Dass schließlich weltweit viel zu wenig passiert in Sachen Klimaschutz erzeugt ein Gefühl der Hilfslosigkeit und fehlender Selbstwirksamkeit. Eigentlich sind die Stellschrauben bekannt, aber wenn anderwo auch nicht gedreht wird … Immer wieder kommt das Argument, dass Deutschland nur für etwa 2 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sei, und deshalb die Welt nicht im Alleingang retten könne. Diesem Argument entgegnet Plöger, dass wir in Deutschland mit ca. 8 Tonnen/Kopf/Jahr weit über dem liegen, was wir an Emissionen tätigen dürften, wenn es gerecht in der Welt zuginge: nämlich nur 2 Tonnen/Kopf/Jahr. Von 194 existierenden Staaten sind 187 besser als wir Deutschen in Sachen Emissionen.

Entschleunigung

Wir haben nur diesen einen Planeten, verhalten uns jedoch so, als ob wir 1,8 Erden hätten. Die 10 Prozent der reichsten Menschen sind dabei für 90 Prozent der Emissionen verantwortlich. Klimaschädliches Verhalten muss deshalb teurer werden. Daran führe kein Weg vorbei, meint Plöger, auch wenn er niemandem unterstelle, aus Vorsatz oder bösem Willen zu handeln. Es sei viel mehr ein permanentes Inkaufnehmen der Emissionen aus wirtschaftlichen oder auch staatlichen Interessen.

Weiter fordert Plöger viel mehr Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen und sich nicht mit dem Vorwand der „Technologieoffenheit“ vor den notwendigen Entscheidungen zu drücken. Vor allem müsse viel mehr in erneuerbare Energien investiert werden, damit die Emissionen schnell runtergehen. Dass dafür kein Geld da sei und man zukünftige Generationen nicht mit Schulden belasten dürfe, lässt Plöger nicht gelten: Jeden Euro, den wir jetzt nicht investierten, würden wir mit 2 bis 11 Euro in Form von Klimaschäden bezahlen. Wohlstand, plädiert Plöger, müsse neu definiert werden und schlägt vor, über mehr Entschleunigung im eigenen Leben nachzudenken. Das könne statt eines Verzichts sogar ein Gewinn sein.

Buchinformation:

Sven Plöger
Zieht euch warm an, es wird noch heißer!
Westend Verlag; aktualisierte und erweiterte Auflage mit neuen Kapiteln (8. Mai 2023)
Broschiert: ‎ 368 Seiten
ISBN-10: 3864894093

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