Gekonnte Haarentfernung auf Türkisch – in England

Gekonnte Haarentfernung auf Türkisch – in England

Aus aktuellem Anlass werfen wir heute im Frisurenblog einen Blick über den Ärmelkanal nach England, wo die Frisörkultur einen hohen Stellenwert genießt:

Gastbeitrag

Schon seit einer guten Weile feiert der Bart ein Comeback. Musiker, Fußballer, Moderatoren – Bärte, wohin man schaut, und das in allen Varianten. Mit den Bärten feiert  ein weiteres Phänomen sein Comeback: der Barbershop. „Herrensalon“ hieß das früher, wissen Sie noch? Ich erinnere mich noch gut an einen Salon, in dem ich als Grundschüler Ende der sechziger Jahre alle paar Wochen auf einen dieser beeindruckenden, ledernen Frisörsessel hochgeklettert bin. Ich gebe zu, der Gang zum Frisör war nicht immer ganz freiwillig.

Das Beste am Frisörbesuch waren übrigens für mich die Micky-Maus-Hefte, die man während der Wartezeit lesen konnte. Und das Zweibeste? Das waren die Gespräche der Männer, die wir Jungs mithörten, und von denen wir wohl das meiste nicht verstanden. Der Herrensalon, damals noch ganz strikt getrennt vom Damensalon, hatte übrigens noch eine weitere wichtige Funktion für die männliche Kundschaft. Der Gang zum Frisör war ein sozialer Akt, ihr Salon für viele Männer eine Art Stammtisch, nur eben mit Haareschneiden statt Alkohol. Ein guter Frisör musste nicht nur gut frisieren, sondern auch gut zuhören können.

Barbershop auf der Isle of White, England

Barbershop auf der Isle of White, England

An all dies fühlte ich mich bei einer Englandreise vor einer Weile erinnert. Wir waren auf der Isle of White, einer wunderschönen Insel, die der englischen Südküste vorgelagert ist. Das Leben dort ist etwas entspannter (“laid back”) als auf dem hektischen Festland. Von dieser lässigen Atmosphäre angesteckt, entschloss ich mich spontan zu einem Frisörbesuch und musste als erstes feststellen, dass Frauen und Männer in getrennte Salons gehen. Zweite Erkenntnis: Anmeldung ist nicht zwingend erforderlich. Man kommt, wartet, trinkt einen Kaffee, am späten Vormittag auch mal ein Pint und unterhält sich. Über Gott und die Welt und Fußball natürlich. Dritte Erkenntnis: Wer aus dem Land von Beckenbauer und Muller (ohne Umlaut bitte!) kommt, ist in England immer willkommen. Sofern man keinen Zweifel daran lässt, dass der Ball von Geoff Hurst im WM-Finale in Wembley 1966 klar drin war.

Ich wurde bestens bedient, Haarschnitt, Rasur und als Höhepunkt: ein Feuerspektakel. Der Barbier, der aus der Türkei stammte, verstand sich auf die hohe Kunst des Entfernens unerwünschter Haare mittels Flamme. Ich war zunächst etwas verschreckt, dann begeistert. Seither sind gelegentliche Frisörbesuche im Urlaub für mich eine Möglichkeit, um die Kultur des Gastlands direkter kennenzulernen. Und das, obwohl ich ja sonst seit über 20 Jahren Daniel Schmid und seinen Frisörinnen und Frisören absolut treu bin.

Im Herbst 2015 hat das Herrenmagazin Heritage Post übrigens ein Special Barber Shop rausgebracht. Lesenswert für alle, die sich für Frisörkultur interessieren.

Norbert Kraas, Tübingen

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